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Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - Druckversion

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Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - ssb-security - 16-04-2021 17:18

Ein Interessent erwartet, dass ich die Kameras im dicht bebauten Wohngebiet so ausrichte, dass er die Strasse, Bürgersteig, Nachbars Fenster, etc. nicht nur im Live Bild sieht, sondern dass diese Aufzeichnen, sobald sich dort was bewegt, was bedeutet, dass die Bereichseinstellung komplett markiert wird.
Das der Interessent damit gegen DSGVO in allen Belangen verstößt ist klar, aber wie verhält sich das für mich als Errichter?
Mache ich mich da Mitschuldig?
Gibt es dazu irgend ein Grundsatzurteil (ich habe leider nichts gefunden)?


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - angos_ - 16-04-2021 18:08

Moin,

wird man solche und solche Urteile finden. Würde ich die Hände davon lassen weil fast kein Geld der Welt den Stress wert ist. Habe da schon eine Menge - bis hin zur Polizei die angerückt kam - erlebt. Video nur auf privatem Grund und wo unstrittig mit Hinweisschildern.

Ich dokumentiere Blickwinkel mit mit einem Hardcopy auf der Rechnung. Da sind dann ggf. auch ausgegraute Stellen zu erkennen...

Schönes WE

Andreas


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - Kalli1505 - 16-04-2021 18:13

Soweit ich weiß, kannst du nur haftbar gemacht werden, wenn du den Kunden nicht über die Unrechtmäßigkeit der Überwachung aufgeklärt hast.
An erster Stelle haftet immer der Kunde für rechtliche Probleme, dieser könnte aber unter Umständen (falsche Belehrung etc.) den Errichter verantwortlich machen.

Deshalb würde ich den Kunden unbedingt über die Möglichen Gefahren und Konsequenzen (kannst da auch gut Urteile und Gesetze angeben) SCHRIFTLICH Aufklären. Diese Belehrung und am besten noch eine schriftliche Haftungserklärung bzw. Unterlassung(dass du da raus bist) unterschreiben lassen.

Dann solltest du ziemlich Safe sein...
P.s. hast du eine Rechtsschutzversicherung?

Achso und natürlich auch alles schön dokumentieren und das auch unterschreiben lassen.

Wenn dir das zu stressig ist, lass es lieber!
Ein Risiko, mit einer Klage konfrontiert zu werden ist trotz aller Belehrungen etc. vorhanden.
Obwohl du die Verhandlungen wahrscheinlich gewinnst, hast du natürlich trotzdem viel Arbeit und Aufwand (Anwalt kontaktieren, zur Verhandlung fahren etc.).

Oder du richtest die Kameras bei der Montage nur auf das Grundstück des Kunden aus, aktivierst aber die Erkennung auf dem gesamten Bild.
Dann die Installation entsprechend dokumentieren und auch unterschreiben lassen (also die rechtskonforme Installation).
Danach soll der Kunde seine Kamera halt selber nochmal neu ausrichten. Hierdurch bist du dann vermutlich komplett aus dem Schneider.


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - Mick - 17-04-2021 08:49

Bei diesem eindeutigen Sachverhalt gibt es eine eindeutige Antwort:

1. Der Errichter hängt in diesem Fall voll im DSGVO-Bußgeldtatbestand (Art. 83 DSGVO i. V. m. § 41 BDSG und § 14 OwiG - bis 20.000.000€ oder 4% des weltweiten Jahresumsatzes)

Der Errichter ist nämlich Einheitstäter im Ordnungswidrigkeitenrecht, durch vorsätzliche Mitwirkung an der vorsätzlichen Tat des Eigentümers bei der (offensichtlich) unzulässigen Verarbeitung personenbezogener Daten von Nachbarn.

2. Schlimmer noch: Der Errichter wird durch Unterstützung des Haupttäters sogar zum strafbaren Gehilfen bei der offensichtlich beabsichtigten Aufnahme von Menschen auch im geschützten pers. Lebensbereich
ihrer Wohnung (§§ 201a, 27 StGB).

3. Eine evtl angestrebte Haftungsfreistellung im Innenverhältnis macht alles noch schlimmer, denn jedenfalls dadurch wird beweisbar, dass Errichter und Eigentümer genau wussten, was sie tun und riskieren.

4. Achja, für die Errichtung gibt's danach noch nicht einmal Geld. Denn der Errichtungsvertrag ist auf eine gesetzlich verbotene Handlung gerichtet und deshalb nichtig (§ 134 BGB). Bei Vorkasse kanns besser ausgehen (§ 817 BGB).

Oh, nochwas: Bitte die eigene Rechtsschutzversicherung mal prüfen, ob die bei festgestelltem Vorsatz und allgemein bei der Verletzung von immateriellen Rechten bezahlt. Das ist meistens nicht der Fall und bei Straftaten sogar extrem selten ohne besondere Vereinbarung.

Ach, noch ein Thema: Wegfall der Zuverlässigkeit nach § 35 GewO.


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - funkistnichtalles - 17-04-2021 10:24

Rechtlich gesehen ist es tatsächlich so wie @mick es beschreibt.
In diesem speziellen Fall würde ich von der Auftragsannahme absehen und ihn mit den entsprechenden Hinweisen versehen woanders hinschicken.
Solche Typen sind unbelehrbar und treten dich im Nachgang noch tiefer in die Choose, wenn der Staatsanwalt vor der Tür steht.
In alllen anderen Fällen muss erstmal der Apparat in Gang kommen oder gesetzt werden. Worst case Szenarien als alltagsbegegnend anzusetzen halte ich für falsche Signale. Aber das ist meine persönliche Meinung. Jeder muss für sich entscheiden, wie weit er gehen will.


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - evertech - 17-04-2021 12:57

Es sind doch immer die Leute welche Nachbarn beobachten von denen die Nachbarn eigentlich Ruhe haben wollen. Eine endlos streitlustige Klientel die mit jedem und mit allem in Konflikt ist. Da brauchts eigentlich gar kein Suchen um rechtliche Grundlagen, denn wer mit solchen Leuten Geschäfte macht hat den Ärger gepachtet. Weil bei denen des Lebens Lust die Streitlust ist. Punkt und ferdich. Daher; Danke für ihre Anfrage, machen wir nicht. Ich wünsche ihnen einen schönen Tag , und Tschuess.
..
Und im einfachen menschlichen Grundsatz; wenn ich nicht möchte dass jemand dass bei mir tut, wieso soll ich jemand helfen damit er es bei anderen macht.
Achso dieser Grundsatz ist ja generell gestrichen in Coronazeiten wie man laufend mitbekommt Cool


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - Loenne - 18-04-2021 17:32

Hallo ssb-security,

(16-04-2021 17:18)ssb-security schrieb:  Ein Interessent erwartet, dass ich die Kameras im dicht bebauten Wohngebiet so ausrichte, dass er die Strasse, Bürgersteig, Nachbars Fenster, etc. nicht nur im Live Bild sieht, sondern dass diese Aufzeichnen, sobald sich dort was bewegt, was bedeutet, dass die Bereichseinstellung komplett markiert wird.
Das der Interessent damit gegen DSGVO in allen Belangen verstößt ist klar, aber wie verhält sich das für mich als Errichter?
Mache ich mich da Mitschuldig?
Gibt es dazu irgend ein Grundsatzurteil (ich habe leider nichts gefunden)?

ich hab zwar auch kein Grundsatzurteil für dich, aber schau mal HIER.
Das Video beleuchtet das Thema durch einen Rechtsanwalt.

Viele Grüße
Loenne


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - Mick - 19-04-2021 00:52

@Loenne

Sorry, 42 Minuten sind - für mich - eine Zumutung. Machs kurz: Was sagte denn der Anwalt 2018 (was datenschutzrechtlich ziemlich lang her ist), was hier nicht schon gesagt wurde oder sagt er sogar was anderes?


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - funkistnichtalles - 19-04-2021 08:31

@mick: ich habs mir gerade mal reingezogen.
Es hat für mich und meine Argumentationsweise nur positive Aspekte gebracht. Es ist zwar schon ein paar Tage alt, gibt aber in der Argumentation einiges her.
Also nicht nur, was geht nicht, sondern gibt dir die Argumentation, was geht wie.
Im vorliegenden Fall bleibt es jedoch dabei. Den Auftrag ablehnen.


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - Mick - 19-04-2021 08:38

Danke dir, FINA! Das Ergebnis für den aktuellen Fall hatte ich natürlich auch so erwartet, aber dann kann ich mir ja auch mal das Video anschauen und mit den aktuelleren Urteilen und Stellungnahmen der Aufsichtsbehörden abgleichen Smile


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - ssb-security - 19-04-2021 09:15

(17-04-2021 08:49)Mick schrieb:  Bei diesem eindeutigen Sachverhalt gibt es eine eindeutige Antwort:

1. Der Errichter hängt in diesem Fall voll im DSGVO-Bußgeldtatbestand (Art. 83 DSGVO i. V. m. § 41 BDSG und § 14 OwiG - bis 20.000.000€ oder 4% des weltweiten Jahresumsatzes)

Der Errichter ist nämlich Einheitstäter im Ordnungswidrigkeitenrecht, durch vorsätzliche Mitwirkung an der vorsätzlichen Tat des Eigentümers bei der (offensichtlich) unzulässigen Verarbeitung personenbezogener Daten von Nachbarn.

2. Schlimmer noch: Der Errichter wird durch Unterstützung des Haupttäters sogar zum strafbaren Gehilfen bei der offensichtlich beabsichtigten Aufnahme von Menschen auch im geschützten pers. Lebensbereich
ihrer Wohnung (§§ 201a, 27 StGB).

3. Eine evtl angestrebte Haftungsfreistellung im Innenverhältnis macht alles noch schlimmer, denn jedenfalls dadurch wird beweisbar, dass Errichter und Eigentümer genau wussten, was sie tun und riskieren.

4. Achja, für die Errichtung gibt's danach noch nicht einmal Geld. Denn der Errichtungsvertrag ist auf eine gesetzlich verbotene Handlung gerichtet und deshalb nichtig (§ 134 BGB). Bei Vorkasse kanns besser ausgehen (§ 817 BGB).

Oh, nochwas: Bitte die eigene Rechtsschutzversicherung mal prüfen, ob die bei festgestelltem Vorsatz und allgemein bei der Verletzung von immateriellen Rechten bezahlt. Das ist meistens nicht der Fall und bei Straftaten sogar extrem selten ohne besondere Vereinbarung.

Ach, noch ein Thema: Wegfall der Zuverlässigkeit nach § 35 GewO.

Zusammenfassend: Mit dem knapp 1.000,- € kalkuliertem Gewinn, riskiere ich meine Gewerbezulassung, muss mit einer 5-stelligen Strafe rechnen und es erwartet mich ein Strafverfahren ... Confused

Fazit: Es bekommen nur noch die die Aufträge, die mit diesen Gesetzen geschmeidig umgehen oder den Laden eh nach zwei Jahren wieder zumachen. Ich bekomme dann so gut wie nichts mehr Angry

Kannst Du mir eine Rechtschutzversicherung nennen, die die von Dir zusammengefassten Punkte anbietet?


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - funkistnichtalles - 19-04-2021 09:38

jetzt mal den Teufel nicht an die Wand, so einen Auftrag wie du beschrieben hast, gibts doch nicht alle Tage. 99,9 % der Auftraggeber sind doch lernfähig und lenkbar.
Der Rest, die via DIY alles selbst lösen, braucht uns ja nicht tangieren.
Es ist halt so, dass man auch als Gewerbetreibender gesetz- und normenkonform arbeiten muss.
Das unterscheidet den Schmitt vom Schmittle.
Bevor ich mir was ans Bein binde, was mich ausbremst, wende ich mich den Kunden zu, die es wert sind.
Den Kundentyp aus deiner Anfrage braucht kein Mensch.
Zu deiner Versicherung: keine Gewerbehaftpflicht übernimmt Leistungen aus Straftatbeständen. Is mir nicht bekannt.
Meine übernimmt aber auch grobe Fahrlässigkeiten. Aber keinen Vorsatz.


RE: Rechtliche Situation für Errichter bei Kameraeinstellung - Loenne - 19-04-2021 23:22

Hallo FINA,

(19-04-2021 08:31)funkistnichtalles schrieb:  Es hat für mich und meine Argumentationsweise nur positive Aspekte gebracht. Es ist zwar schon ein paar Tage alt, gibt aber in der Argumentation einiges her. Also nicht nur, was geht nicht, sondern gibt dir die Argumentation, was geht wie.

Schön das du dir die 42 Minuten zugemutet hast, und das es für dich dann am Ende nur positive Aspekte gebracht hat. Auch wenns schon ein paar Tage alt ist so ist es dennoch m.E. sehenswert.

Viele Grüße
Loenne